Gestützt auf die eingereichte Anzeige führte die Regierungsstatthalterin eine aufsichtsrechtliche Untersuchung gegen die Einwohnergemeinde Reichenbach i.K. durch und schloss diese mit Verfügung vom 26. Februar 2024 ab. Die Untersuchung richtete sich ausschliesslich gegen die Gemeinde Reichenbach i.K. und beschränkte sich auf die Überprüfung ihrer öffentlich-rechtlichen Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Realisierung des Kleinwasserkraftwerks Howald. Nicht Gegenstand der Untersuchung waren zivilrechtliche oder strafrechtliche Ansprüche sowie das Handeln involvierter Drittparteien.
Beschluss der Gemeindeversammlung wurde mangelhaft umgesetzt
Die Gemeindeversammlung beschloss am 6. Juni 2019, der noch zu gründenden Kleinwasserkraftwerk Howald AG, an welcher die Gemeinde über eine Mehrheitsbeteiligung von 62 % verfügen soll, einen Kredit von CHF 1'054'000.00 (Aktionärsdarlehen) zu gewähren. Das Aktionärsdarlehen hätte der Kleinwasserkraftwerk Howald AG dienen sollen, das von der Brunnengenossenschaft Wengi zuvor erstellte Kleinwasserkraftwerk Howald zu erwerben und anschliessend zu betreiben. Die Regierungsstatthalterin stellte bei der Umsetzung dieses Gemeindeversammlungsbeschlusses folgende Mängel fest:
- Die Auszahlung der Darlehenssumme von CHF 1'054'000.00 ist vor der Erstellung des Werkes an die Brunnengenossenschaft Wengi anstatt an die (zu gründende) Kleinwasserkraftwerk Howald AG erfolgt.
- Sowohl der Zeitpunkt, der Zweck und der Adressat der Darlehenssumme entsprachen nicht dem Beschluss der Gemeindeversammlung beziehungsweise der damaligen Abstimmungsbotschaft.
- Zudem beschloss der Gemeinderat erst verspätet einen Nachkredit in der Höhe von 25'000.00, nachdem die Gemeinde Reichenbach i.K. die Verpflichtungen bereits eingegangen war.
Zwischenzeitlich wurden diese Mängel – soweit möglich – korrigiert und das gewährte Darlehen wurde auf die Kleinwasserkraftwerk Howald AG übertragen.
Weitere Verfehlungen
Bei der Arbeitsvergabe für die Erstellung des Kleinwasserkraftwerkes sind von der Gemeinde Reichenbach i.K. als Geldgeberin und der Brunnengenossenschaft Wengi als Bauherrin die Bestimmungen über das öffentliche Beschaffungswesen nicht berücksichtigt worden beziehungsweise sind sie fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Bestimmungen über das öffentliche Beschaffungswesen nicht zur Anwendung kommen. Weiter hat die Bauherrschaft anlässlich des Baus des Kleinwasserkraftwerkes eine Wasserleitung ins «Dörfli» eingezogen, ohne dass dafür eine Baubewilligung vorlag. Trotz Hinweisen des Anzeigers unterliess es die Gemeinde Reichenbach i.K. bis heute ein Baupolizeiverfahren zu eröffnen.
Massnahmen der Regierungsstatthalterin
Ob die Verfehlungen der Gemeinde Reichenbach i.K. wider besseren Wissens erfolgten, konnte anlässlich der aufsichtsrechtlichen Untersuchung von der Regierungsstatthalterin nicht festgestellt werden. Die Regierungsstatthalterin erteilte zur Vermeidung künftiger Verfehlungen Weisungen. Zudem wies sie die Einwohnergemeinde Reichenbach i.K. an, betreffend die Wasserleitung ins Dörfli ein Baupolizeiverfahren durchzuführen.
Gegen die Verfügung der Regierungsstatthalterin kann die Gemeinde Reichenbach i.K. innert 30 Tagen Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Bern erheben. Die Verfügung ist noch nicht rechtskräftig.